Metaphysik und Würstel

Gerhard Polacek liest Wiener Kaffeehausliteratur
 
Die Wiener Kaffeehausliteratur fiel in jene Periode zwischen 1890 und 1938, zu deren Beginn sich der Untergang der Habsburger Monarchie angekündigt und vollzogen hat, bis zum Anschluss Österreichs an Deutschland.
Zum Stammpublikum der Wiener Kaffeehäuser gehörten unter anderem: Hermann Bahr, Arthur Schnitzler, Richard Beer-Hofmann, Felix Salten, Hugo von Hofmannsthal, Anton Kuh, Peter Altenberg, Egon Friedell, Karl Kraus, Adolf Loos, Alfred Polgar, Oskar Kokoschka, Robert Musil, Joseph Roth, Hermann Broch, Franz Werfel, Friedrich Torberg und Ernst Polak.

Was ist ein Kaffeehausliterat? Ein Mensch, der Zeit hat, im Kaffeehaus über das nachzudenken, was die anderen draußen nicht erleben.“ (Anton Kuh)
Ich stelle Ihnen vier der außergewöhnlichsten Vertreter dieser Spezies vor: PETER ALTENBERG, den Bohemièn und Vieltrinker, das „Genie ohne Fähigkeiten“, den Frauenverehrer, den sensiblen Beobachter, der mit literarischen Pinselstrichen wahre „Prosagedichte“ schuf, von dem man sagte: Wenn Altenberg nicht im Kaffeehaus ist, ist er am Weg dorthin; ANTON KUH, den Hirnzigeuner („Was ist Geist? .. Die Luftlinie vom Gehirn zur Sache“), den Schnorrer mit dem verzerrten Wiener Charme, den Propheten des rechten Zeitgeistes; DR. EGON FRIEDELL, den unerträglichen Störenfried und Querdenker, Schauspieler, Journalist, Schriftsteller, Kulturwissenschaftler - ein homo universalis als Hofnarr des Publikums; ALFRED POLGAR, den Meister der kleinen Form, den  Grandseigneur der Feder, den gläubigen Ungläubigen, der immer genau ins Ziel traf und „aufs Augenhärchen genau sagen kann, was er sagen will“(Tucholsky).
Was alle vier verbindet: Sie waren Stammgäste des „Café Central“, Juden und lebten nach dem Grundsatz: „Nur nicht gleich sachlich werden! Es geht ja auch persönlich“!